13. Juli 2025 / Aus aller Welt

40 Jahre nach «Live Aid»: Situation in Äthiopien dramatisch

Vor vier Jahrzehnten kam die Welt angesichts erschütternder Bilder einer Hungersnot in der äthiopischen Region Tigray zusammen. Dort spitzt sich die Lage wieder zu. Doch heute kümmert das kaum.

Dutzende Rock- und Popstars feierten mit Zehntausenden Fans ein Fest der Menschlichkeit bei den Konzerten in London und Philadelphia. (Archivfoto)

Ist die Welt rücksichtsloser geworden? Dutzende Rock- und Popstars feierten vor 40 Jahren zusammen mit Zehntausenden Fans ein Fest der Menschlichkeit, um Hungernden in Äthiopien zu helfen. Das von Sänger Bob Geldof (73) organisierte Doppelkonzert in London und Philadelphia «Live Aid» am 13. Juli 1985 wurde zur Legende. Millionen an Hilfsgeldern flossen nach Äthiopien und in andere Krisenregionen.

Doch die Region Tigray, in der damals Hunderttausende den Hungertod gestorben waren, liegt vier Jahrzehnte nach den Konzerten in Trümmern. Ein brutaler Krieg, den der äthiopische Ministerpräsident und Friedensnobelpreisträger Abiy Ahmed zwischen 2020 und 2022 mit Unterstützung Eritreas gegen regionale Kräfte führte, forderte bis zu 600.000 Menschenleben.

Hinzu kommt eine seit Jahren andauernde Dürre, deren Folgen durch die faktische Auflösung der US-Entwicklungsbehörde USAID verstärkt werden. 

Zentralregierung erschwert Hungerstatistik

Bob Geldof zeigt sich frustriert. «Wo würde etwas wie eine weitere Hungersnot in den Nachrichtensendungen auftauchen? Als dritte oder vierte Meldung?», sagt er in einer Dokumentation der Hilfsorganisation Mary's Meals, die dafür seltene Filmaufnahmen aus der noch immer für Journalisten gesperrten Region geschmuggelt hat. Nur ein neues Massensterben würde wirklich Schlagzeilen machen, fürchtet er.

Wie viele Menschen derzeit in Tigray an Hunger sterben, ist unklar, weil die Zentralregierung in Addis Abeba laut Experten das Sammeln von Daten darüber behindert. Die Gesprächspartner von Mary's Meals in Tigray glauben aber, dass dort längst eine Hungersnot herrscht, die aus politischen Gründen von den Behörden nicht erklärt wird. Millionen sind auf Lebensmittelhilfen angewiesen.

Vernichtung der Lebensgrundlagen

Dabei war es in der Region im Norden Äthiopiens bis 2020 bergauf gegangen. Ein System der sozialen Sicherheit und Frieden boten Schutz vor einer erneuten Hungerkrise, wie der britische Experte für Hunger- und Konfliktforschung, Alex de Waal, im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur erklärt.

 «Der Krieg zerstörte beides – und darüber hinaus kam es zu einer weit verbreiteten und gezielten Vernichtung all dessen, was zum Überleben notwendig ist: Nahrung, Landwirtschaft, Wasserversorgung, Gesundheitssysteme, Arbeitsplätze und dem Bankwesen», sagt de Waal.

Gefolgt sei eine systematisch durchgesetzte Strategie des Aushungerns. Zehntausende Frauen seien Opfer von Vergewaltigung und sexueller Gewalt geworden und lebten heute mit körperlichen Traumata, sozialer Ausgrenzung und oft extremem Hunger, so der Experte. Er fügt hinzu: «Das wahre Ausmaß ist schwer zu schätzen, aber es ist eine enorme und unnötige Tragödie, die unsichtbar für die Welt ist.» 

Geldof appelliert an Menschlichkeit

Erst kürzlich berichteten Menschenrechtsorganisationen und der britische «Guardian» über Fälle von Frauen in Tigray, denen nach Massenvergewaltigungen Objekte wie verrostete Schrauben, spitze Metallteile und Müll in die Gebärmutter eingeführt wurden, um sie unfruchtbar zu machen. Doch vom Leid der Menschen in Tigray nehmen nur wenige Notiz, ähnlich wie von anderen Krisen in Afrika wie im Sudan und im Kongo.

Geldof will trotz allen Frusts die Hoffnung nicht aufgeben, dass 40 Jahre nach Live-Aid die Menschlichkeit doch noch siegt. «Es ist wirklich so einfach. Ein Kind hat Hunger. Gebt ihm zu essen», sagt er.


Bildnachweis: © Norbert Försterling/dpa
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