15. September 2025 / Aus aller Welt

Chloé Zhaos Shakespeare-Drama «Hamnet» gewinnt in Toronto

Chloé Zhao verwandelt Shakespeares reale Tragödie in ein herzzerreißendes Porträt über Liebe, Verlust und die heilende Kraft der Kunst. «Hamnet» hat das Publikum in Toronto begeistert.

Regisseurin Chloé Zhao spricht in einer auf den Kopf gestellten, aufgezeichneten Botschaft.

 Mit stiller Wucht und poetischen Bildern hat Chloé Zhaos «Hamnet» das 50. Toronto International Film Festival (TIFF) erobert. Das bewegende Drama über die Familie Shakespeare wurde am Sonntag (Ortszeit) zum Siegerfilm des Festivals gekürt. Die Adaption des gleichnamigen Romans von Maggie O’Farrell begeisterte das Publikum der kanadischen Metropole, das traditionell anstelle einer Jury den Gewinner wählt.

Der zweite Platz ging an «Frankenstein» von Regisseur Guillermo del Toro mit Oscar Isaac und Jacob Elordi in den Hauptrollen, auf Rang drei kam Rian Johnsons «Wake Up Dead Man: A Knives Out Mystery». 

Zhao erhielt den People’s Choice Award zum zweiten Mal: Ihr TIFF-Sieger «Nomadland» aus dem Jahr 2020 gewann später auch drei Oscars, unter anderem für den besten Film und die beste Regie. Diesmal wagte sie sich an ein Drama über Shakespeare – blieb aber ihrer Handschrift treu: feine Beobachtungen, Bilder von fast mythischer Naturverbundenheit und ein tiefes Mitgefühl für Figuren, die am Rand ihrer Kräfte sind. 

Zartes Drama über die heilende Kraft der Kunst

Im Mittelpunkt von «Hamnet» stehen Agnes (Jessie Buckley) und William Shakespeare (Paul Mescal), die den frühen Tod ihres elfjährigen Sohnes Hamnet verarbeiten müssen. Buckley spielt Agnes mit einer Wucht, die zwischen Bodenständigkeit und Entrückung pendelt. Mescal verleiht dem jungen William eine verletzliche Intensität, die – fern von der Legende des unantastbaren Barden – den verzweifelten Vater und Ehemann sichtbar macht, der mit seinen Gefühlen ringt.

Zhao gelingt es dabei, Trauer, Liebe und die heilende Kraft der Kunst zu einem bewegenden Film zu verweben, der zugleich realistisch und traumgleich wirkt. Intime Szenen von Alltag und Ehe, aber auch der Abgrenzung und Verzweiflung verdichten sich zu einem Finale, das in seiner emotionalen Kraft überwältigend nachhallt.

Die Regisseurin reagierte mit emotionalen Worten auf den Festivalgewinn. «Für mich und mein Team ist es besonders bedeutsam, den People's Choice Award zu erhalten. Denn ihr seid es, für die wir diese Filme machen. Wir erzählen diese Geschichten - in der Hoffnung, dass ihr eure Herzen öffnet und eure Gefühle mit uns und miteinander teilt. Ich bin sehr glücklich», sagte Zhao in einer Video-Botschaft auf Instagram.

Internationaler Preis an Park Chan-wook

Als besten Dokumentarfilm wählten die Zuschauer «The Road Between Us: The Ultimate Rescue» von Barry Avrich. Der beklemmende Film zeichnet die Rettungsgeschichte einer israelischen Familie während des Hamas-Terrorüberfalls vom 7. Oktober 2023 nach. 

Der International People’s Choice Award wurde an Park Chan-wooks «No Other Choice» vergeben. Mit schwarzem Humor erzählt der südkoreanische Regisseur von einem entlassenen Papierfabrikarbeiter (Lee Byung Hun), der verzweifelt versucht, seine Familie zu ernähren, und dabei moralische Grenzen überschreitet.

Bei dem zehntägigen Filmfest in Toronto konkurrierten über 290 Filme um die Gunst der Zuschauer. Anders als bei Festivals wie Cannes, Berlin oder Venedig wird in Toronto der Gewinnerbeitrag nicht von einer Jury, sondern vom Publikum gewählt.


Bildnachweis: © Sammy Kogan/The Canadian Press/AP/dpa
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