4. September 2025 / Aus aller Welt

Smartphone in der Schule - was dafür und was dagegen spricht

Lernhilfe, Störfaktor, Gesundheitsrisiko - über das Für und Wider von Handys an Schulen wird viel diskutiert. Was Experten dazu und über die richtige Dosis Smartphone beim Lernen sagen.

Die Regeln sind unterschiedlich: Manche Schulen haben Handys komplett verbannt, andere sind weniger streng. Ob es flächendeckende Regeln gibt, entscheiden die Bundesländer selbst. (Symbolb...

Es ist das im Moment am heißesten diskutierte Thema in der Bildungspolitik: Haben Smartphones an Schulen etwas zu suchen oder nicht? Zuletzt wurde darüber in Sachsen sogar bei einem «Handygipfel» im Beisein von Bundesbildungsministerin Karin Prien beraten.

Die CDU-Politikerin stellt an diesem Donnerstag in Berlin eine Expertenkommission vor, die sich ganz umfassend mit Kinder- und Jugendschutz im Netz beschäftigen soll. Das berührt mindestens indirekt auch das Schulthema.

Bildung ist Ländersache, daher regeln die Bundesländer die Frage der Handynutzung an Schulen selbst. Einige haben strenge Regeln und Verbote eingeführt, andere vertrauen auf die Eigenverantwortung der Schulen. Tendenziell gibt es am meisten Zustimmung dafür, Handys zumindest aus Grundschulen zu verbannen. In der gesamten Debatte werden immer wieder verschiedene Pro- und Contra-Argumente angeführt:

Argumente gegen ein Verbot

  • Smartphones sind sinnvolle Hilfsmittel beim Lernen (Recherche, Lern-Apps oder Vokabeltrainer). Sie können Unterricht bereichern und aktive Mitarbeit fördern durch multimediales Arbeiten mit Videos, Tönen, Animationen, eigenen Kameraaufnahmen oder Interaktion mit dem Smartboard, etwa durch Live-Umfragen in der Klasse, gemeinsamen Zugriff auf Grafiken, Entwürfe oder andere Projekte («kollaboratives Klassenzimmer»).
  • Die Schule muss einen verantwortungsvollen und kritischen Umgang mit digitalen Geräten und Inhalten im Netz und mit KI vermitteln, so dass Schüler auf die digitale Welt vorbereitet werden, in der sie diese Kompetenzen brauchen werden.
  • Smartphones sorgen für Sicherheit: Eltern oder Retter sind im Notfall erreichbar, es gibt Notfall-Apps mit Standortfunktion. Bei Mobbing, Gewalt oder Unfällen können Handys als Beweismittel dienen.
  • Einschränkungen an der Schule reduzieren nicht automatisch die Bildschirmzeit. Versäumtes (Chats, Timeline) wird später nachgeholt und erhöht nur die Bildschirmzeit nach der Schule.

Argumente für ein Verbot

  • Smartphones lenken ab, stören den Unterricht, verringern Konzentration, Aufmerksamkeit und Lernleistung und können zu Betrug verleiten. KI lässt Lerngrenzen verschwimmen: Es wird unklar, was sich Schüler selbst erarbeiten und was von ChatGPT stammt.
  • Handys in der Schule erhöhen die Gefahr von Cybermobbing durch Mitschüler oder von digitalen Mutproben, steigern den Druck, ständig erreichbar zu sein und fördern das soziale Vergleichen auf den verschiedenen Plattformen.
  • Gruppenzwang: Wer kein Smartphone hat, steht schlecht da. Das setzt auch Eltern unter Druck.
  • Schule sollte Kinder und Jugendliche vor übermäßigem Medienkonsum und Suchtverhalten schützen, deshalb sollte wenigstens dieser Bereich Handy-frei sein.
  • Ist das Smartphone in der Hand, kommen Bewegung, Gespräche und (analoges) Spielen zu kurz.

Die viel diskutierte Smartphone-in-der-Schule-Frage berührt also ein ganzes Themengeflecht von Kinder- und Jugendschutz, über Unterrichtsgestaltung, soziale Interaktion und Medienkompetenz bis hin zur Gesundheit.

Was Wissenschaftler und Experten sagen

Die nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina empfiehlt in einem im August veröffentlichten Papier, die Nutzung von Smartphones in Schulen bis einschließlich Klasse 10 zu untersagen. Die Wissenschaftler plädieren generell für einen Kurs der Vorsicht (Vorsorgeprinzip), solange die Frage, ob es eine ursächliche Beziehung zwischen dem Gebrauch sozialer Medien und der psychischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen gibt, noch nicht wirklich geklärt ist.

Kein Smartphone unter 9

Verbände der Kinder- und Jugendmedizin, der Suchtforschung, der Psychologie und die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung empfehlen in einer gemeinsamen Leitlinie, dass Kinder frühestens ab 9 oder besser frühestens ab 12 ein eigenes Smartphone bekommen sollen und dann auch nur mit eingeschränktem Internetzugang. 12- bis 16-Jährige sollten demnach maximal 1-2 Stunden Bildschirmzeit pro Tag haben, ebenfalls mit beschränktem Internetzugang. Dies stärkt denen den Rücken, die sich für ein Handyverbot zumindest an Grundschulen und für abgestufte Regelungen nach Alter aussprechen.

Studie: Verbot verbessert Wohlbefinden

Klaus Zierer und Tobias Böttger vom Lehrstuhl für Schulpädagogik an der Universität Augsburg kommen in einer im vergangenen Jahr veröffentlichten Studie zu dem Schluss, dass Verbote in Schulen einen messbaren Effekt auf das soziale Wohlbefinden von Schülerinnen und Schülern haben. Dafür wurden Untersuchungen aus Norwegen, Spanien, Tschechien, England und Schweden ausgewertet. Smartphones verschlechterten das soziale Klima in Schulen, indem sie zwischenmenschliche Konflikte befeuerten, sagte Böttger.

Ablenkung, auch wenn das Handy nur auf dem Tisch liegt

Schulen, die eine «Das Handy bleibt in der Tasche»-Politik verfolgen, dürften sich durch eine Studie der Universität Paderborn von 2023 bestätigt fühlen. Demnach lenken Smartphones auch ab, wenn sie nur ausgeschaltet auf dem Tisch liegen. Zudem gebe es einen negativen Einfluss auf die Arbeitsgeschwindigkeit und die kognitive Leistungsfähigkeit.

Mittelweg finden

Die Industriestaatenorganisation OECD rät zu einem verantwortungsbewussten Umgang mit digitalen Geräten wie Mobiltelefonen im Unterricht. OECD-Bildungsdirektor Andreas Schleicher betonte Anfang des Jahres, ein korrekter Einsatz könne das individuelle Lernen verbessern und es spannender und effektiver machen. Es müsse aber sichergestellt sein, dass die Technik als bereicherndes Hilfsmittel genutzt werde und nicht zur Ablenkung.

Matthias Begenat vom Center for Advanced Internet Studies in Bochum machte in einer Anhörung zum Einfluss von Medien auf die Gesundheit von Kindern im nordrhein-westfälischen Landtag auch auf positive Effekte von Gaming und Social Media aufmerksam. Er nannte eine «potenzielle Stärkung des logischen Denkvermögens, die Fähigkeit zur Problemlösung oder auch die Entwicklung von sozialen Kompetenzen wie Teamwork und Empathie».


Bildnachweis: © Marijan Murat/dpa
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