23. August 2025 / Aus aller Welt

Ticken wir wie Fruchtfliegen? Im Schlaf vielleicht schon

Selbst im Tiefschlaf bleibt das Gehirn auf Empfang. Was Fruchtfliegen über die Balance zwischen Ruhe und Reaktion verraten, könnte uns gar nicht so fern sein.

Nervenzellen im Gehirn einer Taufliege wurden durch Forscher pink eingefärbt, Nervenzellenverbindungen sind grün dargestellt.

Selbst im Schlaf sind Fruchtfliegen nicht unbedingt eine leichte Beute: Denn auch während des Schlummerns können die Tiere starke Reize wahrnehmen und darauf reagieren, wie Forscher der Charité in der Fachzeitschrift «Nature» berichten. Beobachtungen an Taufliegen (Drosophila) – besser bekannt als Fruchtfliegen – geben möglicherweise auch Hinweise darauf, wie wir Menschen im Schlaf auf starke Reize reagieren. 

Für viele Lebewesen – uns Menschen eingeschlossen – ist dies nämlich eine fragile Balance: Einerseits brauchen wir Schlaf zur Regeneration und etwa zur Gedächtnisbildung, andererseits müssen wir in der Lage sein, aufkommende Gefahren auch während des Schlafs wahrnehmen zu können, um darauf reagieren zu können. Wie der Organismus dies genau ausbalanciere, sei bislang unklar, schreiben die Forscher.

Wenn das Gehirn gleichzeitig auf Bremse und Gas tritt

Bei Taufliegen hat sich das Team um den Neurophysiologen David Owald angeschaut, was im Gehirn bei diesen Prozessen konkret abläuft. Zentral dabei sind zwei Hirnnetzwerke, die visuelle Reize verarbeiten – eines aktiviert die Reaktion auf Reize, das andere hemmt eher. «Wenn beide Netzwerke gleichzeitig aktiv sind, gewinnt das hemmende Netzwerk und die Verarbeitung der Reize wird blockiert», erklärt Co-Autor Davide Raccuglia. «Die Fliege blendet ihre Umgebung also sanft aus und kann einschlafen.»

Allerdings ist das aktivierende Netzwerk nicht komplett unterdrückt: «Wir haben herausgefunden, dass das Gehirn der Fliegen im Schlaf aktivierende und hemmende Netzwerke fein aufeinander abstimmt», betont Owald. Besonders starke Reize würden durchgelassen. «Der Zustand ist vergleichbar mit einem angelehnten Fenster: Der Luftzug, also die Reizweiterleitung, ist unterbrochen, aber ein starker Windstoß kann das Fenster aufstoßen, ein kräftiger Reiz also das Tier aufwecken.»

Schlaffilter mit Schlupflöchern

Ganz konkret passiert dies der Studie zufolge wohl in Fenstern zwischen langsamen, synchronen elektrischen Wellen – sogenannten Slow Waves -, die beim Einschlafen in den Hirnnetzwerken entstehen. Die Wellen entstünden, weil die elektrische Spannung der Nervenzellen einmal pro Sekunde auf- und abschwinge. «Möglicherweise entsteht, wenn die Spannung hoch ist, ein kurzer Zeitraum, währenddessen Informationen durch den Schlaffilter durchgelassen werden können», erklärt Co-Autorin Raquel Suaréz-Grimalt.

Und wie ist das nun bei uns? «Beim Menschen kennen wir eine Struktur im Gehirn, die Reizinformationen filtert und als rhythmischer Taktgeber fungiert – das ist der Thalamus», so Owald. «Hier könnte es also Parallelen zu den Vorgängen im Fliegengehirn geben, vielleicht spiegeln diese also tatsächlich ein universelles Prinzip des Schlafs wider.» Dies müsse jedoch erforscht werden. 

Kleine Wesen mit Erkenntnispotenzial für den Menschen

Das Team der Charité erforscht anhand der Taufliege grundlegende Entscheidungen, etwa zum Essen oder Schlafen. Die Fliegen besitzen mit etwa 200.000 Nervenzellen ein vergleichsweise übersichtliches Gehirn. Einige Verhaltensweisen und Gehirnprozesse, die sich an ihnen erkennen lassen, sind in leicht veränderter Form auf den Menschen übertragbar.


Bildnachweis: © Anatoli Ender/Charité/dpa
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