Wettervorhersagen sind heute viel präziser als noch vor wenigen Jahren. Doch sie haben weiter ihre Grenzen - auch mit Blick auf Unwetterwarnungen. «Die größte Herausforderung im Sommer sind lokale Extreme, die mit Gewittern verbunden sind. Diese sind unheimlich schwer vorhersagbar», sagt Franz-Josef Molé, Leiter der Vorhersage- und Beratungszentrale beim Deutschen Wetterdienst (DWD). Im Winter sei dagegen Glättebildung die härteste Nuss. «Die Schwierigkeit bei Gewittern ist, dass es von sehr kleinen Unterschieden abhängt, ob sie harmlos ablaufen oder gravierende Schäden verursachen», ergänzt der Meteorologe. «Wenn ein Gewitter pulsiert, ist das wie in einem Kochtopf, in dem Blasen hochschießen. Es ist kaum möglich zu sagen, welcher Ort genau betroffen sein wird», erläutert Molé. Bei der Flutkatastrophe im Ahrtal im Juli 2021 hätten Gewitter zum Beispiel auch eine entscheidende Rolle gespielt. «Sie sind als Reste in dieses riesige Regengebiet hineingezogen. Durch die zusätzlichen Starkregenfälle sind die Wassermassen dann auf den ohnehin schon völlig übersättigten Böden sofort in die Täler geströmt.» Oft gebe es auch eine Kombination von Gewittern, die in Stürmen eingelagert seien. «Auch das macht die Situation dann wirklich brenzlig.» «Ja. Da war die Gefahr von Windstärke 11 bereits einen Tag vorher erkennbar», berichtet Molé. Schon Windstärke 10 bedeutet 100 Kilometer pro Stunde. «Ein Baum mit Laub muss dann zum Beispiel in einer Böe 50 Kilogramm Windlast pro Quadratmeter aushalten. Bei der Fläche eines großen und breiten Baums wirkt dann so viel Kraft - da halten die nicht Stand.» In Berlin ist am Montag eine Frau gestorben, weil ein Baum auf ein Auto fiel. Trotzdem gab es vorher keine Unwetterwarnung über die DWD-App. Die Abwägung für eine Unwetterwarnung mit all ihren Folgen für den Katastrophenschutz sei nie leicht, sagt Molé. «Unser Kollege war an diesem Tag machtlos», ergänzt er. «Das Gewitter, das auf Berlin zuzog, hat sich vor der Stadt abgeschwächt. Bei solch einer Tendenz hätte niemand die Unwetter-Karte gezogen.» Der Sturm sei dann in der Tat ohne Blitz und Donner über die Hauptstadt gezogen. «Aber ausgerechnet ohne zusätzliche Gewitteraktivität waren die Böen dann völlig überraschend noch stärker als vorher mit Gewittern kalkuliert. Das war also wider sämtlicher Berechnungen und Erfahrungen.» Der Nachteil, wenn man zu oft warne, sei ein Verlust von Glaubwürdigkeit, sagt Molé. «Wir ziehen zum Beispiel erst ab Windstärke 10 die Unwetterkarte.» Es gebe aber vor diesem Level präventive Hinweise wie: schwerer Sturm oder Orkanböen nicht ausgeschlossen. Die Entscheidung für Unwetterwarnungen bei lokalen Ereignissen sei für große Städte schwieriger, weil oft nur einzelne Stadtteile betroffen sind. «Manchmal ist es gar nicht sicher, ob überhaupt etwas passiert. Wenn wir dann präventiv eine Unwetterwarnung herausgeben, haben wir viele Menschen umsonst gewarnt - und das ist auf die Dauer auch schädlich», sagt Molé. «So ist es», antwortet Molé. Deutschland habe eine hervorragende Infrastruktur und der Katastrophenschutz sei sehr gut aufgestellt. «Wir wiegen uns aber zu sehr in Sicherheit bei allem, was da möglich ist - wenn Hänge zum Beispiel abrutschen. Und wer nie erlebt hat, wie es ist, bei Starkregen unter Lebensgefahr aus dem Wasser herauszukommen - der kann sich das einfach oft nicht vorstellen.» Wichtig sei es, im Alltag aufmerksam auf Wetterlagen zu achten. «Das gilt jetzt auch schon für extreme Hitze und Waldbrände», warnt Molé. Infos dazu gibt es etwa auf dem neuen Naturgefahrenportal im Internet. Das enthält neben aktuellen Warnungen auch anderer Behörden Ratschläge für eine sinnvolle Vorsorge im Fall von Unwettern. Der DWD arbeitet bereits mit Künstlicher Intelligenz (KI) - von den Wetterbeobachtungen bis hin zu Modell-Simulation. «In Einzelfällen mag die KI besser sein, in der Gesamtheit der Meteorologen national und weltweit eher nicht», urteilt Molé. So habe sich ein bekanntes US-Unternehmen gerühmt, sein KI-Modell könne die Zugbahnen von Wirbelstürmen besser vorhersagen. «Dummerweise sind die Intensitäten dieser Stürme aber zum Teil schlecht simuliert», kritisiert der Meteorologe. Die Mitarbeitenden im Wettervorhersage- und Warndienst hätten den Vorteil, dass sie durch ihre Erfahrung mehr wüssten als die KI. Die sei dafür zum Beispiel bei der Kombination von Wetterdaten, Umweltdaten und Baumbeständen unschlagbar. «Aber was das alles wiederum für Auswirkungen hat, kann ein Meteorologe sicher verständlicher formulieren - vor allem auch für den Katastrophenschutz und die Öffentlichkeit.»Welche Wetterlagen sind für Meteorologen die härtesten Nüsse?
Warum sind Gewittervorhersagen eigentlich so kniffelig?
War das Unwetter, das jüngst Berlin traf, vorhersehbar?
Wieso warnte die DWD-App nicht - und kommt das öfter vor?
Wäre es nicht besser, immer vorsorglich vor Unwettern zu warnen?
Fühlen wir uns zu sicher - während die Natur unberechenbar bleibt?
Hilft Künstliche Intelligenz dabei, Vorhersagen weiter zu präzisieren?
Bildnachweis: © Michael Kappeler/dpa
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Was Unwetterwarnungen können - und was nicht
Stürme und Gewitter können immer noch überraschen, manchmal sogar mit tödlichen Folgen. Warum ist das so? Wer davor warnt - und wie präzise solche Hinweise überhaupt sein können.
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